Geschichte der Deutschen Kokereibaufirmen (als PDF-Datei)

 

von Dipl.-Ing. Hermann Toll, Essen

 

Als Carlos Otto im Jahre 1872 die Firma Dr. C. Otto & Comp. gründete, konnte er nicht ahnen, dass eine Generation später einige seiner besten Mitarbeiter eigene Firmen gründen würden, von denen zwei in den folgenden Jahrzehnten seine ärgsten Konkurrenten werden sollten: Carl Still in Recklinghausen und Heinrich Koppers in Essen. Noch weniger konnte er vermuten, dass sich 130 Jahre später alle deutschen Kokereibauer in der Firma eines Mitarbeiters, der ebenfalls bei ihm die ersten beruflichen Sporen verdiente, wiederfinden würden: Friedrich Uhde. So bleibt nach allen Turbulenzen, Firmenverkäufen und Fusionen, die der deutsche Kokereibau zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts erlebt hat, doch eine erstaunliche Kontinuität erhalten. Der nachstehende Bericht soll ein Licht werfen auf die Entwicklung des deutschen Kokereibaus, vor allem aber soll er eine Hommage sein an die großen Unternehmerpersönlichkeiten, die diesen Industriezweig geprägt haben.

 

Carlos Otto, der Vater der deutschen Kokereiindustrie, wurde 1838 in Mirador in Mexico geboren, wo seine Familie eine Farm und eine Brauerei besaßen. Als Carlos zwei Jahre alt war, fiel sein Vater auf einer Landstraße Wegelagerern in die Hände und wurde ermordet. Seine Mutter beschloss daraufhin, alles zu verkaufen und in die Heimat nach Giessen zurückzukehren.

Nach der Schulzeit studierte Carlos an der Universität in Giessen Naturwissenschaften. Giessen war damals das wissenschaftliche Zentrum der Chemie. Professor Justus Liebig hatte gerade die chemischen Zusammenhänge des Pflanzenwachstums entdeckt und damit ein neues Zeitalter der Agrarwissenschaft eingeläutet, auf dessen Grundlage es gelang, wesentlich höhere Ernteerträge zu erzielen und damit eine sichere Basis für die Ernährung der rasch wachsenden Bevölkerung Europas zu schaffen.

Carlos Otto

Justus Liebig

 

Entdeckungsgeist und Fortschritt waren die Schlüsselwörter jener Zeit. Auch Carlos Otto wurde davon angesteckt. Er studierte mit großem Enthusiasmus und erwarb bereits mit 20 Jahren den „Dr.phil“. mit „Summa cum laude“. Dann wechselte er zur Technischen Universität Bergakademie Freiberg in Sachsen, wo er Mineralogie und Ingenieurwissenschaften studierte.

1859 begann Carlos Otto seine Berufslaufbahn mit dem Eintritt in die Eisen- und Stahlwerke Zwickau in Sachsen. Seine erste Arbeitsstelle fand er auf der Kokerei, in jener Zeit eine harte und schweißtreibende Arbeit. Hier aber lernte er neue einflussreiche Freunde kennen, die ihm halfen, sich nach einer besseren Arbeitsstelle umzusehen. Er fand diese schließlich bei der Feuerfestfabrik Vygen in Duisburg.

 

Diese Arbeitsstelle wurde wegweisend für seine weitere Laufbahn. Er erlernte schnell die Produktionsmethoden für feuerfeste Steine, die in steigendem Umfang in der rasch wachsenden Eisen- und Stahlindustrie gebraucht wurden. Es gelang ihm in kurzer Zeit, die Produktionsprozesse zu verbessern und neue Produkte zu entwickeln. Nach 12 Jahren, davon die längste Zeit als Technischer Leiter, verließ er das Unternehmen in aller Freundschaft und gründete im Jahre 1872 zusammen mit 5 Teilhabern, alle Freunde oder Verwandte von Carlos Otto, sein eigenes Unternehmen, die Dr. C. Otto & Comp. in Dahlhausen an der Ruhr.

Den ersten großen Auftrag erhielt die neue Firma im Dezember 1872: die komplette Lieferung der Feuerfeststeine zum Bau von 40 Koksöfen. Der Auftraggeber verlangte 2 Jahre Garantie und 1% Pönale pro Woche Lieferverzug. Carlos Otto ging ohne Zögern darauf ein und erhielt zwei Tage später den Zuschlag.In den ersten Jahren konzentrierte sich Otto ganz auf die Erzeugung von feuerfesten Steinen, aber sein Interesse galt von Anfang an auch den Koksöfen. 1874 bot er zum ersten Mal nicht nur die Steine, sondern auch die Planung und den Aufbau der Öfen an – sozusagen „schlüsselfertig“. Damit hatte er zunächst keinen Erfolg. Aber schon 1876 konnte er den ersten Komplettauftrag für den Bau von 30 Koksöfen verbuchen. Dr. C. Otto hatte sich vom reinen Steinlieferanten zum Kokereibauer entwickelt. Das war der Beginn einer neuen Ära in der Kokereigeschichte.

Firma Dr. C. Otto Comp. in Dahlhausen an der Ruhr

 

In den Jahren ab 1876 baute Dr. Otto zunächst Coppée Flammöfen, die damals in Europa weit verbreitet waren. In diesen Öfen wurde alles entstehende Gas verbrannt, ohne die Möglichkeit der Brenngas- oder Nebenproduktengewinnung. Ottos technischer Durchbruch gelang 1881 mit der Einführung der Teer- oder Nebenproduktenöfen. Diese Öfen verbrauchten nur einen Teil des erzeugten Gases. Der Gewinn aus dem Überschussgas war beträchtlich und machte diese Öfen wirtschaftlich attraktiv. Zudem wurde der Teer als Rohstoff für die chemische Industrie, insbesondere zur Herstellung von Farben und Medikamenten, immer wichtiger. 1883 führte Dr. C. Otto das regenerative Beheizungsprinzip in die Kokereitechnik ein. Erfinder war Gustav Hoffmann, der technische Direktor des Unternehmens. Die ersten Öfen wurden auf einem Bergwerk in Schlesien gebaut. Damit begann die Zeit der Otto-Hoffmann-Regenerativöfen.

Coppée Flammöfen

 

Otto-Hoffmann-Regenerativofen

 

Durch ihren deutlich besseren thermischen Wirkungsgrad waren sie den alten Öfen überlegen und setzten sich zuerst in Europa, bald danach auch in Amerika, Russland und im Fernen Osten durch.

Dr. Otto hatte ein sehr modernes Geschäftskonzept für seine Nebenprodukten – Öfen. Er bot den Kunden an, die Nebengewinnungsanlage kostenlos zu errichten, wenn er die Erlaubnis erhielt, diese zu betreiben und die Nebenprodukte auf eigenes Risiko zu verkaufen. Heute würden wir sagen, er bot ein B.O.T- Modell (Build-Operate-Transfer) an. Dieses Geschäftskonzept war für die Bergwerke, die auch damals schon unter Kapitalmangel litten, attraktiv, so dass er eine Reihe von Nebengewinnungsanlagen errichten konnte. Im Laufe der Zeit zeigte es sich aber, dass Dr. Otto auf diese Weise gute Geschäfte machte, woraufhin die Kunden die Nebengewinnungsanlagen wieder für eigene Rechnung bauen ließen.

 

Carlos Otto starb im Jahre 1897, als sich der 10.000ste Otto – Ofen im Bau befand. Er hinterließ ein blühendes Unternehmen mit führenden Technologien und einer exzellenten Reputation. Unter Gustav Hilgenstock wuchs das Unternehmen weiter und brachte den 1896 vorgestellten Unterbrennerofen zum Erfolg. Wichtige Fortschritte wurden auch auf dem Gebiet der Kohlenwertstoffgewinnung gemacht. Im Jahre 1913 entstand der erste Verbundofen, der wahlweise mit Starkgas oder Schwachgas beheizt werden konnte, 1922 wurde der Zwillingszugofen patentiert und 1925 der erste Ofen mit über 4m Kammerhöhe gebaut. Den 40.000sten Koksofen baute die Firma Dr. Otto, deren Firmensitz in der Bochumer Christstraße lag, 1941 auf den Gaswerken in Kobe, Japan und den 50.000sten im Jahre 1954 auf einer Kokerei in Deutschland.

Als die Firma 1972 ihr 100-jähriges Bestehen feierte, befand sich die Kokereiindustrie noch in guter Verfassung. Otto arbeitete an großen Aufträgen aus Japan, Korea, Amerika und Europa. Die Blüte dauerte aber nicht mehr lange: 1979,als der 70.000ste Otto-Ofen im Bau war, verkaufte die Familie Otto ihre Anteile an die Salzgitter AG. Bereits 6 Jahre später wiederum verkaufte Salzgitter das Ingenieurbaugeschäft an den Konkurrenten Carl Still in Recklinghausen. Die Steinfabrik blieb im Verbund mit Salzgitter.

Firma Dr. Otto, Firmensitz in der Bochumer Christstraße

 

Carl Still

Carl Still, der zweite in der Reihe der großen deutschen Kokereipioniere, wurde 1868 geboren. Er studierte Maschinenbau und trat 1888 in die Firma Dr. C. Otto ein, wo er zunächst als Montageingenieur, später als Konstruktionschef arbeitete. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Erfahrung kam er zu der Erkenntnis, dass die Berechnungs- und Planungsmethoden für Koksöfen und Nebengewinnungsanlagen ziemlich ungenau und empirisch und zu wenig wissenschaftlich abgesichert waren. Er fand aber, wie oft in solchen Fällen, bei seinen Vorgesetzten wenig Verständnis für seine Vorstellungen.

In Carl Funke, einem der „Ruhrbarone“ in jener Zeit, fand er hingegen einen interessierten und einflussreichen Zuhörer. Neben anderen Industriewerken besaß Funke mehrere Zechen und Kokereien. Carl Still konnte ihn von den Vorzügen seines neuen Verfahrens zur Benzolgewinnung überzeugen, so dass er ihm die Gelegenheit gab, eine Benzolfabrik nach eigenen Entwürfen auf Funkes Kokerei „König Ludwig“ zu errichten.

 

 

Die neue Anlage arbeitete vom ersten Tag an hervorragend. Carl Funke ermutigte Still, sich selbständig zu machen, was dann am 1. Mai 1898 mit der Gründung der Firma Carl Still in Recklinghausen geschah. Gegenstand des Unternehmens war die Gewinnung und Verarbeitung von Kohlenwertstoffen sowie Planung und Bau von Koksöfen und Nebengewinnungsanlagen.

Carl Funke war ein persönlicher Freund von Max Planck, dem späteren Nobelpreis-träger. Er machte Still, der ein glänzender Ingenieur und großer Bewunderer naturwissenschaftlicher Forschung war, mit Planck bekannt. Still hatte große Freude an den wissenschaftlichen Diskursen mit Planck, bei denen es nicht nur um Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch um philosophische und theologische Themen ging. In Anerkennung für seine wissenschaftlichen Leistungen verlieh ihm die Technische Hochschule Aachen 1919 den Titel eines Dr. Ing. h.c.

Max Planck

 

Stills größte Leistungen waren sicherlich auf dem Gebiet der Gasbehandlung und der Kohlenwertstoffgewinnung. Er spielte aber auch eine wichtige Rolle als Ofenkonstrukteur. Beispielsweise baute Still bereits im Jahre 1929 auf der Kokerei „Nordstern“ den ersten 6m-Ofen, was für die damalige Zeit eine Revolution war. Weitere Meilensteine waren der erste 7m-Ofen im Jahre 1970 und schließlich die 7,65m hohen Öfen für Nippon Kokan in Ohgishima, Japan im Jahr 1977. Der halbgeteilte Ofen mit über die Höhe gestufter Luft- und Schwachgaszufuhr war eine erfolgreiche Konstruktion, die bis in die 90er Jahre von Still gebaut wurde.

Carl Still führte sein Unternehmen mehr als 50 Jahre. An seinem 80. Geburtstag, am 2.8.1948, fand sich ein illustrer Kreis von Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik zusammen, darunter die Rektoren der Universitäten Göttingen und Münster. Drei Jahre danach starb Carl Still nach einem erfüllten Leben. Sein Sohn Karl Friedrich übernahm die Firma und führte sie im gleichen Stil wie sein Vater. Die Fa. Carl Still gewann eine Reihe von Kokereiaufträgen im Rahmen des Aufbaus der Stahlindustrie in Japan und weitete seinen Einfluss in Europa und Nordamerika aus.

Als Stills großer Konkurrent, die Firma Dr. C. Otto, im Jahre1985 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, entschloss sich Dr. Carl Still, der nun in der dritten Generation die Firma Carl Still leitete, Dr. Otto zu übernehmen. Beide Unternehmen gingen in die Firma Still-Otto auf. Aber schon wenige Jahre später zeigte sich, dass eine Privatfirma wie Still-Otto ohne die finanzielle Rückendeckung eines großen Konzerns am Markt nicht bestehen konnte. Deshalb entschloss sich Dr. Still, die Mehrheit an seinem Unternehmen an den Thyssen-Konzern zu verkaufen. Thyssen kaufte bald darauf auch noch das Kokereigeschäft von Didier- Engineering hinzu und verschmolz alles zur Thyssen Still Otto Anlagentechnik.

6 m-Öfen auf der Kokerei Nordstern (1929)

 

Heinrich Koppers

Heinrich Koppers, ein völlig anderer Charakter, wurde 1872 geboren, dem Jahr, als Carlos Otto sein Unternehmen gründete. Sein Vater musste aus familiären Gründen seinen kleinen Bauernhof am Niederrhein verkaufen und nahm die Stelle eines Pförtners bei einer Eisenbahngesellschaft in Bochum an. Heinrich Koppers ging dort zur Schule und absolvierte eine Klempnerlehre. Seine erste Stelle erhielt er als Dreher in einem Walzwerk in Bochum.

Koppers besuchte neben seiner Arbeit die technische Abend- und Sonntagsschule, um die Zulassung zur Hüttenschule zu erlangen und erreichte diese Qualifizierung mit Auszeichnung. Auch an der Hüttenschule gewann er auf Grund sehr guter Leistungen die Aufmerksamkeit seiner Lehrer. Im Jahre 1893 schloss er sein Studium ab und begann als Betriebsassistent in einem Münchener Kupferwerk. Als nach einem Jahr der Sohn des Besitzers die Stelle für sich in Anspruch nahm, verließ er das Unternehmen und trat im Juni 1894 in die Firma Dr. C. Otto ein. Offenbar übertraf er auch hier die in ihn gesetzten Erwartungen. Neben seinem 12-Stunden-Tag auf der Kokerei „Germania“ in Dortmund arbeitete er intensiv an einem Verfahren zur Gewinnung von Cyanid aus Koksofengas. Hiervon hörte Gustav Hilgenstock, der technische Direktor bei Dr. C. Otto. Ihm gefiel die Art, wie Koppers an die Probleme heranging, und schickte ihn auf die Versuchskokerei der Firma in Dahlhausen. Sein Auftrag an Koppers war die Verbesserung des Otto-Hoffmann-Ofens mit dem Ziel einer besseren Gasausbeute. Von da an war Koppers maßgeblich an der Entwicklung des Unterbrennerofens beteiligt.

 

Dieser Unterbrennerofen wurde ein voller Erfolg. Das Ziel war jetzt, den Ofen allein mit Schwachgas zu beheizen, damit das gesamte Koksofengas für Beleuchtungs- und Heizzwecke frei würde. Koppers‘ Lösung hierzu war eine radikale Konstruktionsänderung im Bereich des Regenerators, und zwar die Umstellung vom Längs- zum Querregenerator. Hilgenstock war mit diesem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden. Nach langen Auseinandersetzungen kam es zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden, in dessen Ergebnis Koppers die Firma verlassen musste. Seine Ideen aber hatte er rechtzeitig zum Patent angemeldet.

 

In dieser prekären Lage fand Koppers, ähnlich wie einige Zeit zuvor Carl Still, einen Freund und Förderer, der sich von seinen Ideen überzeugen ließ. Hugo Stinnes ein einflussreicher Industrieller an der Ruhr, gab ihm die Möglichkeit, auf der Kokerei Mathias Stinnes in Karnap eine Koksofenbatterie nach seinem Patent zu bauen. Die Öfen sollten wahlweise mit Generatorgas oder Koksofengas beheizt werden.

Die neue Batterie brachte zwar den Beweis, dass der erstrebte Gasüberschuss zu erreichen war, wurde letztlich aber doch kein Erfolg. Die Probleme der Staubablagerungen in den Brennerdüsen ließen sich  nicht lösen. Trotz dieser Enttäuschung, vor allem für seinen Förderer Stinnes, gab Koppers nicht auf. Er war von der Richtigkeit seiner Ideen überzeugt und musste deshalb seinen weiteren Weg allein gehen.

Im Jahre 1901 machte er sich als Civilingenieur in Karnap selbständig. Noch im gleichen Jahr präsentierte er zusammen mit der Feuerfestfabrik Hiby & Schroer einen neuen Koksofen, der eine Vielzahl von Öffnungen in der Ofendecke hatte. Durch diese Öffnungen waren die Brennerdüsen auf der Heizzugsohle zugänglich und konnten ausgetauscht werden. Diese Öffnungen sind heute noch als „Schaulöcher“ bekannt und Bestandteil eines jeden Koksofens gleich welcher Bauart.

Hugo Stinnes

 

Obwohl der Ofen zunächst nur mit Spott und Verachtung kommentiert wurde, erwies sich diese Konstruktion als ein voller Erfolg. Koppers gewann damit seine ersten Batterieaufträge. Mit der großtechnischen Einführung des Querregenerators im Jahre 1904 schaffte er endgültig den Durchbruch und wurde nun in der Fachwelt anerkannt. Die Öfen mit Querregenerator waren technisch derart überlegen, dass nach und nach alle Ofenbauer dieses Konstruktionsprinzip einführten. Es ist bis heute unverändert geblieben.

Im Jahre 1906 sah es so aus, als würde Koppers einen herben Rückschlag erleiden. Eine Reihe von Heizwänden einer gerade fertiggestellten Batterie auf der Kokerei Anna in Alsdorf wurde plötzlich eingedrückt. Nach dem ersten Schock ging Koppers an die Ursachenforschung und fand heraus, dass nicht die Ofenkonstruktion, sondern der Treibdruck der Kohle der Grund für die Schäden war. Dieses Beinahe-Desaster veranlasste Koppers, genaue Spezifikationen für die Prüfung von Einsatzkohlen zu entwickeln und zu veröffentlichen. Sie wurden bald darauf zu allgemein anerkannten Regeln in der Kokereiindustrie. In diesem Zusammenhang entwickelte er auch den Testofen mit beweglicher Wand, in dem der Treibdruck bestimmt werden kann. Seine Methoden werden, mit weiteren Verbesserungen versehen, auch heute noch angewandt.

Ein anderes bis heute beim Bau von Koksöfen eingesetztes Konstruktionsmerkmal ist die Kreisstrombeheizung, die Koppers 1927 erfand. Sie führte zu einer Vergleichmäßigung der Heizzugtemperaturen und, was Koppers damals noch nicht wissen konnte, zu einer Reduzierung von NOX im Abgas.

Der hohe technische Standard und insbesondere der hohe Gasüberschuss seiner Öfen waren die Gründe dafür, dass die Illinois Steel Corporation im Jahre 1906 eine Delegation nach Europa sandte, um sich über die Vorteile der neuen Öfen zu informieren. Sie waren in der Tat den damals in Amerika gebräuchlichen Koksöfen weit überlegen. Der Bericht der Delegation war äußerst positiv. Kurze Zeit später erhielt Koppers von US Steel eine Einladung, seine Öfen persönlich in Amerika vorzustellen. Er kam von dieser Reise mit dem Auftrag zum Bau von 4 Batterien zu je 70 Regeneratoröfen für die Illinois Steel Corporation in Joliet bei Chicago zurück. US Steel erteilte Koppers in den folgenden Jahren weitere Aufträge über mehr als 1200 Öfen.

In diesen Jahren machte Koppers in Amerika ein Vermögen. Der Marktanteil der Koppers und Koppers-Becker Öfen stieg zwischen den beiden Weltkriegen auf über 70%. Für mehr als 50 Jahre war Koppers Marktführer in den USA. Das Koppers Building in Pittsburgh ist noch heute ein eindrucksvoller Zeuge des Erfolges in jener Zeit.

Heinrich Koppers starb am 5.9.1941, mitten im Krieg. Die englische „Coke and Smokeless Fuel“ schrieb in einem Nachruf: „Es gibt viele ehrenwerte Namen unter den Kokereipionieren und Koksofenkonstrukteuren: Carvès, Hoffmann, Otto, Coppée und andere. Heinrich Koppers aber ragt unter ihnen heraus aufgrund seiner großen Verdienste in der Entwicklung der Kokereiindustrie, wie wir sie heute kennen.“

Unter seinem Sohn Dr. Hans Heinrich Koppers und Heinrich Bönnemann, der danach Generaldirektor wurde, hatte die Firma maßgeblichen Anteil am Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg zerstörten Kokereien in Deutschland und Europa sowie am Aufbau der jungen Stahlindustrie in Japan. Im Jahre 1974 geriet Koppers aber in Schwierigkeiten. Die Familie verkaufte ihre Anteile für den symbolischen Preis von 1DM an Krupp. Zusammen mit Krupp Chemieanlagenbau firmierte sie danach als Krupp Koppers. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei Krupp Uhde von 1997 bis 1999 wurde der Kokereibereich mit Thyssen Still Otto Anlagentechnik zusammengeführt und trug dann den Namen ThyssenKrupp EnCoke.

Koppers Building in den USA

 

Friedrich Uhde

Im Zuge der Konzentration des Anlagenbaus innerhalb des ThyssenKrupp Konzerns wurde im Jahre 2004 ThyssenKrupp EnCoke als eigenständige Firma aufgelöst und das Arbeitsgebiet Kokereibau auf die Firma Uhde in Dortmund übertragen. Der Firmengründer der Uhde GmbH, Friedrich Uhde, war nach Beendigung seines Studiums als Maschinenbauer im Jahre 1903 zu Dr. C. Otto gegangen und hatte dort in der Konstruktion von Nebenproduktenanlagen gearbeitet. 1905 übernahm er die Stellung eines Betriebsleiters auf der Kokerei der Zeche Lothringen in Bochum, wo er eine Versuchsanlage zur katalytischen Verbrennung von Ammoniak entwickelte und baute. Der Betrieb dieser Versuchsanlage mit Platinkatalysatoren verlief erfolgreich, so dass er auf dieser Grundlage eine Anlage zur Herstellung von Salpetersäure und schließlich Ammonnitrat bauen ließ. Daraus ließ sich Sprengstoff für den Bergbau, aber auch Schießpulver für militärische Anwendungen herstellen.

Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges, im Dezember 1914, wurde Friedrich Uhde aus dem Felde geholt, da seine Kenntnisse zur Herstellung von Nitratsprengstoffen von strategischer Bedeutung waren. Auf der Zeche Lothringen baute er in kürzester Zeit eine Anlage zur Herstellung der Vorprodukte zur Erzeugung von Schießpulver.

 

 

 

Nach dem ersten Weltkrieg machte sich Uhde als Zivilingenieur selbständig. 1921 gründete er einen chemischen Betrieb unter dem Namen „Friedrich Uhde, Bövinghausen“. Im Jahre 1925 änderte er den Firmennamen in „Friedrich Uhde Ingenieurbüro“, aus der sich schließlich die als Uhde GmbH weltweit bekannte Firma des chemischen Anlagenbaus entwickelte. In diesem Unternehmen haben heute die deutschen Kokereibauer ihre Heimat gefunden und arbeiten weiterhin erfolgreich beim Bau von Kokereianlagen rund um die Welt, derzeit vor allem in China und im übrigen Fernen Osten, wo zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein dynamisches Wachstum der Stahlindustrie und damit der Kokserzeugung zu verzeichnen ist.

Damit schließt sich ein Kapitel deutscher Industriegeschichte. Kohle und Koks haben in Deutschland und in Europa nicht mehr die Bedeutung wie noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Diesen fundamentalen Veränderungen hat sich die Kokereiindustrie angepasst. Dennoch führt der deutsche Kokereibau auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch eine führende Rolle.

„Family Tree“ der Uhde GmbH

 

Man mag es als eine Ironie des Schicksals bezeichnen, dass die noch zum Ende des letzten Jahrhunderts als modernste Kokerei der Welt geltende Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund im Jahre 2004 von chinesischen Arbeitern zerlegt und in China wieder aufgebaut wurde. Dies wurde zur Initialzündung zum Bau einer ganzen Reihe gleichartiger und teilweise noch größerer und modernerer Kokereien in China. Alle diese Anlagen werden nach der Technologie der deutschen Kokereibauingenieure geplant und gebaut.